Poetin    Maria    Schiffner

Zeitkritisches






 

     
      Traum?

   
   Es war zur Zeit der Lindenblüte.
   Sommertrunkne Luft.
   Erfüllt von Waldesruch und Blumenduft
   hing um die Stirne, die von Sonnbrand glühte.

   Willkommne Rast im wohlgen Schatten.
   An den Berghang gedrängt
   drei Linden, dicht mit Blütenlast behängt;
   darunter samtnen Grases weiche Matten.

   Zu Füssen lag der Fichtenwald gebreitet.
   Eine grüne Flut,
   und flimmernd fiel der Mittagssonne Glut
   vom Himmel, blau und endelos geweitet.

   Da schien ein Schatten aus dem All zu gleiten;
   Mein verzagtes Herz
   erschrak, in Angst vor neuem Schmerz -
   ich sah den Herrn auf unsre Welt zuschreiten.

   Der Herr, zu dem ich einst in heissem Beten
   Hilferuf geschickt
   in meines Erdendaseins schwersten Nöten,
   hat mich ganz klar und gütig angeblickt.

   "Herr", klagt ich, "Herr, sieh hier die reiche Erde!
   Und mein Heimaltland?"
   Da ward sein Herz von Mitleid übermannt,
   er sprach zu mir mit segnender Gebärde:

   "Ihr habt das Fegefeuer durchlitten,
   gingt durch Höllenbrand
   und doch ruht euer Los in meiner Hand.
   Du sollst mich nicht umsonst um Hilfe bitten.

   Doch wehe denen, die euch dieses taten.
   Alle Macht ist mein!
   Sie ernten, was sie säten: Höllenpein.
   Es reifen gute, reifen böse Saaten."

   Entschlief ich in der Mittagsstille?
   War dies Wunder? Traum?
   Die Bienen summten honigschwer im Baum.
   Ich konnte endlich wieder beteb:
   "Es geschehe, Herr, Dein Wille."
 


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