Poetin    Maria    Schiffner

Zeitkritisches


 

 

 

 



 

  Tollwut

In allen Zeitungen stand es, der Rundfunk berichtete fast täglich, die Tollwut, diese schreckliche, übertragbare Tierkrankheit, kam immer näher heran. Überall fürchtete man sich vor ihr. Man erkennt sie daran, dass sich erkrankte Tiere ganz anders verhalten als sonst, sie kommen heran, statt zu fliehen, beissen andere Tiere und auch Menschen und diese werden dann auch krank. Menschen müssen sofort zum Arzt, aber Tieren ist nicht mehr zu helfen. Sie erkranken und gehen elend zu Grunde. Besonder die Füchse sind es, die diese Krankheit übertragen, deshalb werden sie zuerst getötet, soweit man sie findet. In Gegenden, wo diese Krankheit auftritt, gibt es dann Hunde-sperre. Da dürfen Hunde und Katzen nicht mehr frei herumlaufen.

Dass der Förster Rothart sich darüber den Kopf zerbricht, ist wohl klar, freilich sagt er sich auch: Ich kenne doch alle meine Füchse, denen fehlt nichts. Freilich heisst es aufzupassen, weil kein Mensch weiss, wie weit sie laufen und ob sie von auswärts etwas einschleppen. Aber ein Förster von auswärts hat alle Füchse gleich abgeschafft und darauf wurden ihm von den Wühlmäusen alle seine kostbaren, jungen Bäumchen abgefressen. Nein, Förster Rothart möchte seine Füchse im Walde behalten.

Da fällt ihm ein: Was kann denn hhier passeiren, wir haben doch die Wurzel-männchen und die Kräuterfrau, die muss ich zu Rate ziehen, die werden schon wissen, was man da tun kann. Eigentlich dürfte doch bei uns gar nichts schief gehen.

Gesagt, getan. Gleich macht er sich auf den Weg und rief bei der Eiche wieder einmal nach seinen kleinen Freunden. "Da bin ich, brauchst du was von uns, Förster Rothart?" "Und ob ich was brauche, diesmal ist es ernst, ich habe grosse Sorgen." Er erzählte den Wurzelmännchen alles, was er von der Tollwut gehört und gelesen hatte. "Hm, hm", machte das Wurzelmännchen, "das gab es hier noch nicht. Am besten spreche ich mit der Kräuterfrau, die kennt sich ja mit allem aus, was Krankheiten betrifft. Komm morgen wieder, da kann ich dir sicher erzählen, was sie von der Tollwut zu sagen weiss.

Als der Förster am nächsten Morgen wieder hinkam, wartete das Wurzel-männchen schon: "Keine Sorge, Förster Rothart, die Kräuterfrau macht das schon." "Was macht sie denn?" wollte der Förster wissen. "Heute Nacht ruft sie alle Füchse zusammen und dann gibt es wohl eine Fuchssperre, sie
dürfen nicht mehr aus dem Wald heraus. Irgendwelche Mittel hat sie bei uns auch bestellt, die werden jetzt bei uns unten gebraut." "Aber da sind ja noch die anderen Tiere, die Hirsche, Hasen und Rehe?" "Auch an die denkt die Kräuter-frau, wahrscheinlich gibt es eine Sperre für alle Tiere im Wald." "Wenn aber dann fremde Tiere zu uns herein kommen?" "Da stellen wir einfach die Eichel-häher zum Wachen an. Die melden alles, sie heissen nicht umsonst, die Ver-räter. Für die Nacht sagen wir's den Eulen, die mögen dann aufpassen."

"Ob das bloss gut geht? Aber in meinem Walde ist ja noch immer alles gut ge-gangen."

Die Zeitungen waren weiter voll von Nachrichten über die Tollwut. Der Förster Rothart hielt noch mehr als sonst die Aufgen offen, wenn er durch den Wald ging, ob sich etwas Verdächtiges sehen liesse, wenn er auch hoffte, dass nichts Böses passieren würde.

Später stand dann manchmal in einer Zeitung, da und da ist die Gefahr vor-über, die Hundesperre wurde deshalb aufgehoben. Schliesslich hörten die Meldungen über die Tollwut ganz auf.

Da sagte einmal ein Wurzelmännchen. "Bist du jetzt nicht froh, Förster Rothart, dass du unsere Eiche nicht gefällt hast. Wir hätten sonst hier wegziehen müssen und du hättest mit deinem Walde viele Sorgen mehr gehabt." Und das stimmte genau.


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