Poetin    Maria    Schiffner

Zeitkritisches

 



 

 


 

Der Kobold


Fast an der Grenze seines Waldes, wohin der Förster Rothard selten kam, befand sich ein grosser Steinhaufen unter einer Hecke aus Stechpalmen. Plötzlich hatte er das Gefühl, als ob ihn jemand anschaue und dann sah er auch mitten im stacheligen Gebüsch ein Männchen stehen, ein kleines bisschen grösser als ein Wurzelmännchen, sonst aber sah es ganz ähnlich aus. - "Wer bist denn du und was willst du hier?" fragte er es.

Ängstlich kam das Männlein hervor und sagte: "Ich bin ein Kobold und suche eine neue Heimat." "Hier?" fragte der Förster. "Ja, wenn das möglich ist." "Hier wohnen aber schon die Wurzelmännchen, ob die das gerne sehen würden?" "Sie würden mir nichts tun, weil ich ganz andere Dinge treibe als sie." "Was tust du denn?" "Ach, das ist eine lange Geschichte. Ich bin in einem Tale bei Salzburg in Österreich zu hause, in dem wir Edelsteine hüteten. Die wurden dann von den Menschen entdeckt und sie holten die meisten weg. Da versuchten wir neue Edelsteine auf Pflanzen wachsen zu lassen. Es dauerte sehr lange, ehe es gelang. Weil es dort aber nicht mehr sicher war, zogen die meisten von uns fort in die weite Welt. Ich kam hierher und möchte nun sehen, ob sich das Land hier zum Züchten der Steingewächse eignet."


Der Förster hatte ja schon viel Sonderbares gehört und gesehen, aber dies übertraf doch alles andere: Edelsteine wie Blumen wachsen zu lassen? "Nun", sagte er, "ich habe nichts dagegen, dass du es hier in meinem Walde versuchst."

"Du wirst mich also beschützen? Dafür schenke ich dir dieses Bäumchen. Stelle es nicht aufs Fenster, sondern hinter eine Gardine, viel Licht kann es nicht vertragen, halte es immer feucht. Bald wirst du kleine Kapseln sehen. Wenn die anfangen gelb zu werden, kannst du sie abnehmen. Aber sage keinem Menschem was du drin findest, noch wie du zu dem Bäumchen gekommen bist."

Der Föster pflanzte das Bäumchen und pflegte es sorgsam. Schon nach wenigen Tagen trieb es Knospen, die immer grösser wurden und bald fing eine an gelblich zu werden, statt zu blühen, wie er erwartet hatte. Da nahm er sie ab und öffnete sie. Heraus fiel ein wunderbar funkelnder Smaragd.

Als er wieder einmal in die Stadt kam, ging er mit dem Stein zu einem Goldschmied, der sagte: "Woher um alles in der Welt haben Sie diesen herrlichen Stein? Er ist ein Vermögen wert, wenn er erst geschliffen ist. Wollen sie ihn verkaufen?" "Nein, nein"; sagte der Förster.

Von jetzt an erntete er immer neue Smaragde und bald hatte er ein ganzes Beutelchen davon voll, war also unversehens ein reicher Mann geworden.

Nun wollte er doch einmal nach dem Kobold sehen und ging dorthin, wo er ihn getroffen hatte. Als er ihn endlich fand und sich bei ihm für das kostbare Bäumchen bedankte, sagte der Kobold: "Ich werde doch weiterwandern müssen, hier gibt es die richtigen, tiefen Felshölen nicht, die zum Gedeihen der Bäumchen nötig sind." Der Förster aber sagte: "Wieso wächst denn dann mein Bäumchen so gut und trägt so reiche Ernte?" "Wahrscheinlich bist du auf besondere Weise mit der Natur verbunden, daher auch der Segen."

Als er das nächste Mal in die Gegend kam, war der Kobold nicht mehr zu finden.

                                                                                                                                                                                                                                                                   ZURÜCK ZU GESCHICHTEN
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