Poetin    Maria    Schiffner

Zeitkritisches

 


 

 

 

 


 


Ein Angebot


Eines Tages hielt vor dem Hause, in dem der Förster Rothard wohnte, ein grosses Auto, so gross, dass es die ziemlich enge Strasse fast versperrte. Aus dem stiegen zwei feine Herren und klopften an. Nachdem sie hineingebeten worden waren und sich vorgestellt hatten, erklärten sie, dass sie sich in der Gegend umgeschaut hätten und dass sie daran dächten, den Förster zu bitten, ihren grossen Wald hunderte Kilometer weit entfernt, auch so einzurichten, wie er es hier getan hatte, weil ihnen alles so gut gefiele. Er solle ein herrliches Forsthaus, ein grossartiges Gehalt und alles, was er sonst wünsche, haben. Als er gar nichts dazu sagte, redeten sie immer weiter auf ihn ein und schliesslich sagten sie, dass er sich's überlegen soll, sie kämen morgen wieder, dann wüsste er wohl, ob er das Angebot annehmen wolle oder nicht.

Als sie weggegangen und abgefahren waren, bedachte er, wie of er sich so etwas schon ge-wünscht hatte, besonders, wenn es irgendwelchen Ärger gab.

Um sich alles noch gründlich überlegen zu können, ging er in den Wald. Dort traf er zuerst einen Hasen, der hergehoppelt kam und sagte: "Erkennst du mich nicht, Förster Rothard? Ich bin doch der Schneehase, von damals."

"Ah", machte der Förster, der Hase hatte natürlich jetzt wieder sein gewöhnliches Hasenfell. Weiterhinten im Walde kam das Wildschwein daher und rief. "Nuch, nuch, hab ich vielleicht wieder falsche Bäumchen umgebuddelt?" "Nein, ich habe nichts gesehen", sagte der Förster, aber er war nicht bei der Sache.

Dann kam er zum Baum mit der Tür.

"Hier wohnt die Kräuterfrau", dachte er. Zuletzt stolperte er fast über ein Wurzelmännchen, das sich auf einen Fichtenzapfen gesetzt und ihn schon eine Weile neugierig angesehen hatte.

Da sagte er plötzlich ganz laut: "Nein."


Das Wurzelmännchen schüttelte den Kopf, denn es glaubte wohl, dass bei dem Förster nicht alles ganz richtig im Kopfe sei.

Dann fragte es: "Was heisst denn nein?" "Ach, ich soll hier weggehen in eine andere Gegend, aber als ich dich hier sitzen sah, wusste ich auf einmal, dass ich es doch nicht tun kann. Ich kann einfach nicht fort von meinem Walde und all seinen Bewohnern. Was sollte denn werden, wenn ein anderer dann hier wäre, der gar nichts wüsste?"

"Nein, das kannst du nicht tun, uns alle verlassen, was sollte da aus uns werden? Und auch du würdest nicht glücklich."

"Nein, ich würde auch nicht glücklich. Versprich mir, dass du niemandem etwas davon sagst." Das Wurzelmännchen nickte bloss, antwortete aber nicht.

Am anderen Tage sagte der Förster den beiden Herren, dass er das Angebot nicht annehmen könne.

Als er danach wieder im Walde war, hatte er doch ein ziemlich schweres Herz, weil er so ein herrliches Angebot ausgeschlagen hatte, das ihm nicht noch einmal zustossen würde.

Immer weiter ging er durch den Wald, da kam es ihm vor, als ob alle Tiere ihn eigenartig freundlich begrüssten. Ein Fuchs, sonst doch so scheu, kam heran und gab sogar das Pfötchen, ein Hirsch winkte von weitem mit einem Vorderlauf, die Vögel flogen nicht weg, sondern vor ihm her von Zweig zu Zweig und sangen so schön wie noch nie.

Als er aber zu der alten Eiche kam, fand er sich plötzlich in der Mitte eines Kreises von Wurzelmännchen und die sangen, indem sie um ihn herumtanzten, laut und fröhlich:

"Hoch soll er leben, hoch soll erleben,
dreimal hoch, hoch hoch!"

Da merkte er, dass sich die Sache doch herumgesprochen haben musste.

Nun wurde es ihm erst ganz klar, dass er dies nicht für alle Schätze dieser Welt hätte eintauschen wollen
.

                                                                                                                        
                                                                                                                        
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